Religion, Leistungsdruck und Segregation

Meine Einschätzung zum Koalitionsvertrag von CDU und SPD.

Defensive bei der Ausbildung

Unter dem massiven Personalmangel im Bildungssystem leiden Kinder, Eltern und Beschäftigte. Umso wichtiger ist es deshalb, die von der Berliner rot-grün-roten Regierung begonnene Ausbildungsoffensive für Lehrpersonal fortzusetzen. Stattdessen machen CDU und SPD hier eine Rolle rückwärts: Statt die dringend benötigten 3.000 neu ausgebildeten Lehrer*innen pro Jahr als Zielzahl festzuschreiben, wollen CDU und SPD – ohne konkreten Umsetzungszeitraum – 2.500 Lehrkräfte ausbilden. Damit bremsen sie die Ausbildungsoffensive gefährlich aus – denn ohne konkrete Zielzahlen und Zeitrahmen für die Umsetzung wird sich der Personalmangel an Berliner Schulen weiter verschärfen und Bildungsungleichheit weiter verschärft.

Von Entlastung keine Spur
Hatte sich Katharina Günther-Wünsch, Bildungspolitikerin der CDU Berlin, im Wahlkampf noch zur Verkleinerung der Klassengrößen und der Umsetzung des von der GEW geforderten Tarifvertrag Gesundheitsschutz bekannt, ist davon im Koalitionsvertrag leider keine Spur mehr. Dabei ist Entlastung im Bildungssystem dringend nötig: Nur mit guten Arbeitsbedingungen, Zeit für individuelle Förderung der Schüler*innen und für Elternarbeit, sind gleiche Bildungschancen für alle möglich. Als LINKE. Berlin sind wir weiterhin solidarisch mit den streikenden Kolleg*innen und setzen uns für die stufenweise Entlastung des Personals an Berliner Schulen ein!

Auch bei multiprofessionellen Teams vertrösten CDU und SPD Schulbeteiligte mit einer Schmalspurlösung. Einzig mehr Schulhelfer*innen und Gesundheitsfachkräfte sollen in Schulen eingesetzt werden. Das ist gut, doch gerade nach der schweren Coronazeit braucht es Schulpsycholog*innen und vielfältige weitere Professionen an allen Berliner Schulen, um Kinder gut unterstützen zu können. Als Berliner Linke haben wir die Forderung nach einem Landesprogramm Schulpsychologie aufgestellt und setzen uns für die Einführung eines flexibleren Personalkostenbudgets ein, mit dem jede Schule eigenständig nach den individuellen Bedürfnisse ihrer Schüler*innen zusätzliche Fachkräfte einstellen kann. Dies ist wichtig, um auf die unterschiedlichen Gegebenheiten an den Berliner Schulen eingehen und Schüler*innen gezielt unterstützen zu können. Die schwarz-rote Koalition sieht dieses Ziel offensichtlich nicht als Priorität an.

Privatisierter Schulbau statt öffentliche Investitionen
Beim Schulbau wollen CDU und SPD die Planungs- und Baukapazitäten der landeseigenen Baugesellschaft HOWOGE verdoppeln, was zu begrüßen ist. Die geplante Privatisierung von Schulbau durch private Bauträger ist jedoch wenig zielführend und unterwirft öffentliche Aufgaben der Profitlogik. Dabei bräuchte es gerade jetzt verstärkte Anstrengungen im öffentlichen Schulbau, um dem Mangel an guter Ausstattung und genügend Platz für wachsende Schulgemeinschaften entgegen zu wirken!

Keine Verbesserungen bei der Schulreinigung
Anders als noch im rot-grün-roten Koalitionsvertrag ist die Kommunalisierung der Schulreinigung nicht mehr flächendeckendes Ziel der schwarz-roten Koalition, nur die bereits geplanten Pilotprojekte bleiben bestehen. Damit missachten CDU und SPD ein erfolgreiches Bürgerbegehren und zahlreiche erfolgreiche Einwohner*innenanträge in mehreren Berliner Bezirken. Dies ist nicht nur ein herber Rückschlag für Schulbeteiligte, die seit Jahren für saubere Schulen kämpfen, sondern auch für die Reinigungskräfte, die weiter auf gute Bezahlung und sichere Anstellungen warten müssen. Für die Berliner Linke bleibt die flächendeckende Rekommunalisierung der Schulreinigung weiter Priorität. Hierfür müssen als erster Schritt die bereits beschlossenen Pilotprojekte ausgeweitet und verstetigt werden.

Rückschritte bei der Antidiskriminierung

Die rot-grün-rote Koalition hatte die Stärkung von Antidiskriminierungsstrukturen an Schulen und die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle verabredet. Im schwarz-roten Koalitionsvertrag ist davon nun nichts mehr zu lesen. Wollte Kai Wegner im Wahlkampf das Landesantidiskriminierungsgesetz schon abschaffen, so fällt jetzt im Koalitionsvertrag die bereits im Senat beschlossene und finanzierte unabhängige Beschwerdestelle für Antidiskriminierung hinten runter. Damit droht ein wichtiges Projekt zur Stärkung von Antidiskriminierung an Berliner Schulen nicht umgesetzt zu werden. Dabei braucht es gerade hier dringend Anstrengungen, um gleiche Bildungschancen für alle zu ermöglichen!


Segregation statt längeres gemeinsames Lernen
Die geplante Stärkung des Gymnasiums ab Klasse 5 verstärkt den Leistungsdruck auf die Schüler*innen in Klasse 4 und trägt weiter zur sozialen Segregation im Berliner Bildungssystem bei. Hinter der vermeintlich positiven „Vielfalt der Schulformen“ verbirgt sich eine Absage an den Ausbau der Gemeinschaftsschulen als inklusive Schulform, die gleiche Bildungschancen durch individuelle Förderung schaffen. Wer gleiche Bildungschancen für alle Schüler*innen möchte, muss die Gemeinschaftsschule als Ort des längeren gemeinsamen Lernens stärken! Die 6-jährige Grundschule in Berlin ist ein Schatz, an den CDU und SPD ohne Not die Axt angelegen.

Ausbildungsplatzumlage nur noch „Option bis 2025“
Die Berliner Linke setzt sich seit langem für die Ausbildungsplatzumlage als solidarische Finanzierung von mehr Ausbildungsplätzen und zur Stärkung kleiner Ausbildungsbetriebe ein. Hatte die rot-grün-rote Koalition diese schon kurz vor die Umsetzung gebracht, schreiben CDU und SPD diese nur noch als „Option ab 2025“ ab, obwohl die Eckpunkte für einen Gesetzesentwurf bereits vorliegen. Die Abschreibung der Ausbildungsplatzumlage wird den Mangel an guten Ausbildungsplätzen und prekären Ausbildungsbedingungen weiter verschärfen. Dabei braucht es in Zeiten massiven Fachkräftemangels und sinkender Auszubildendenzahlen dringend eine Stärkung der beruflichen Ausbildung mit guten Arbeitsbedingungen und ausreichend Ausbildungsplätzen für die jungen Menschen.
 

Religion soll ordentliches Schulfach werden

Nach dem Willen der Koalition soll Religion ordentliches Unterrichtsfach und somit die öffentlichen Schulen weiter für Religionsgemeinschaften geöffnet werden. Damit setzen sich CDU und SPD neben dem Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienkonzerne über einen zweiten Volksentscheid hinweg. 2009 gab es ein klare Mehrheit gegen die Einführung von Religionsunterricht als ordentliches  Schulfach. Dass CDU und SPD dies nun doch einführen wollen, ist ein fataler Rückschritt für ein modernes Bildungsangebot und eine Missachtung demokratischer Mitbestimmung. Außerdem gibt es mit Ethik ein Fach, das Raum für die Auseinandersetzung mit verschiedenen Wertvorstellungen und Weltreligionen bietet.

 

Religion, Leistungsdruck und Segregation
Insgesamt ist das bildungspolitische Programm der Koalition verantwortungslos. Weitere Schüler*innengenerationen werden darunter leiden, wenn Schulen jetzt nicht mit multiprofessionellen Teams unterstützt und die Weichen mit einer echten Ausbildungsoffensive gestellt werden. Schulen werden für profitorientierte Bauträger sowie Religionsgemeinschaften geöffnet. Der Leistungsdruck auf die Schüler*innen wird durch die Stärkung der grundständigen Gymnasien und jährliche Vergleichsarbeiten erhöht. Die benötigte, unabhängige Beschwerdestelle zum Schutz vor Diskriminierung an Schulen wird nicht geschaffen.
Den Namen #Rückschrittskoalition tragen CDU und SPD zu Recht!